We are family….

Liebe Leserinnen und Leser,

seit September diesen Jahres ist Leben im Children’s Village, das von Nkwadaa fie – Ein Haus für Kinder in Ghana e.V. unterstützt wird. Zwei Mädchen im Alter von vier und sieben Jahren und drei Jungen im Alter von vier, fünf und acht Jahren leben nun mit zwei Pflegemüttern in jeweils einem Familienhaus. Die Mütter sind verantwortlich für die kleinen und großen Herausforderungen, vor die die fünf Kinder sie stellen und bisher haben sie alle mit Bravour gemeistert. Zwei der Jungen sind mit ihrer leiblichen Mutter, die auch in der Anfang September eröffneten Dorfschule arbeitet, hier eingezogen und haben mit einem der Mädchen (sieben Jahre) eine Schwester bekommen. Das vierjährge Mädchen und der gleichaltrige Junge leben nun auch gemeinsam als Bruder und Schwester zusammen mit ihrer Pflegemutter, die gleichzeitig auch unsere Hauswirtschafterin ist.

Die Tage im Children’s Village sind nun ganz bestimmt vom Kinderleben. Jeden morgen ab 5:30 Uhr morgens heißt es in den Häusern (und auch für mich): Aufstehen! Duschen gehen (was nicht selten in einer Wasserschlacht endet) und „Frühstück ist fertig!“ Bereits in der Frühe des Tages – die Sonne ist gerade aufgegangen – singen die Kinder unter der Dusche Lieder, die sie in der Schule gelernt haben und sitzen zähneputzend vor ihren Häusern. Und obwohl es wirklich noch sehr früh ist, begrüßen sie einen mit einem Strahlen im Gesicht und rufen „Ma Lena! Good morning and how are you?“ (Übers.: Mama Lena, guten Morgen und wie geht es dir?). Nachdem alle Kinder frisch geduscht, angezogen und alle Zähne geputzt sind, versammeln sich sowohl Mütter als auch Kinder und Freiwillige in der Küche zum gemeinsamen Frühstück. Das besteht entweder aus Ricewater (ähnlich dem Milchreis), Tom Brown (einem Brei aus gemahlenen Nüssen und Bohnen), Wheat (gekochtem Weizenschrot) oder Mpampa (einem säuerlichen Brei aus Maismehl, vom Geschmack ein bisschen wie Apfelmus). Am Wochenende gibt es zur Abwechslung Brot mit Gemüse-Rührei. Gegen 7:30 Uhr machen sich die Kinder gemeinsam mit zwei Freiwilligen (die in der Schule helfen) auf den Weg in das ca. zehn Minuten Fußweg entfernte Old Adwampong. Dort besuchen sie mit 36 anderen Kindern aus dem  Dorf den Kindergarten bzw. die Grundschule. In der Schule lernen sie das ABC, Lesen, Schreiben und Rechnen, Kunst, Sachkunde und Französisch. Doch vor allem das Erlernen der englischen Sprache hat oberste Priorität. Englisch ist die Amtssprache Ghanas, d.h. in allen öffentlichen Institutionen wie eben auch Schulen ist das Sprechen der englischen Sprache Pflicht. Und dennoch beherrschen selbst die Kinder, die bereits in der dritten Grundsschulklasse sind, Englisch nur rudimentär. In der kombinierten ersten, zweiten und dritten Klasse versucht die Lehrerin beispielsweise dem ganzen mit Humor zu begegnen: Sobald ein Schüler oder eine Schülerin Twi (den hiesigen lokalen Dialekt) spricht, wird ihm eine Kette mit klappernden Dosen und einem Schild umgehängt, auf dem „Speak English“ (Übers.: „Sprich Englisch!“) steht. So erhöht sich im Unterricht der englische Sprachgebrauch, aber auf dem Schulhof und auch im Lehrerkollegium ist meist nut Twi zu hören. Zwischen 14 und 15 Uhr wird getrommelt, getanzt oder gesungen. An Freitagen stehen besondere Aktivitäten wie z.B. Sportwettkämpfe auf dem Programm.

Die Schule schließt umd 15 Uhr, danach kehren die Kinder zurück ins Children’s Village, essen dort Obstsalat oder Kekse und trinken Kakao oder Saft. Danach spielen sie mit den Freiwilligen, lernen Fahrradfahren (kleinerer Unfälle inklusive), Seilspringen, bemalen die Wände des Esszimmers mit Kreide, töpfern, lernen Spiele wie „Mensch ärgere dich nicht“, „Memory“ oder „Tempo kleine Schecke“ etc. In den vergangenen Tagen haben die Kids sogar eine Faible für Akrobatik entwickelt und sie schlagen sie Räder, machen Rückwärtsrollen, versuchen sich im Handstand etc. Nach dem Spaß kommt der Ernst und so sitzen sie gemeinsam bei den Hausaufgaben. An jedem Wochentag darf jeweils eines der Kinder mit den Freiwilligen alleine spielen oder lesen, während die anderen Kinder gemeinsam mit den anderen Freiwilligen etwas anderes unternehmen. Ziel dieser Einzelföderung ist vor allem, das Selbstbewusstsein der Kinder aufzubauen und ihre individuellen Fähigkeiten zu fördern.

Zwischen 17 und 18 Uhr gibt es Abendessen, bestehend aus Yam, Reis, Banku (einem Maiskloß), Fufu oder Kochbananen mit verschiedenen Soßen, Suppen oder „Stews“ (Beilagen wie Gemüsepfanne etc). Alle Gerichte werden frisch von unserer Haushälterin je nach Tagesmenü zubereitet und stellen eines sicher: Alle werden satt! Nach dem Abendessen lesen die Freiwilligen den Kindern eine Gute-Nacht-Geschichte vor und dann heißt es: Duschen, Zähne putzen und ab ins Bett.

Und was mache ich den ganzen Tag? Meine Arbeitstage beginnen ebenfalls um 5:30 Uhr morgens, um 7 Uhr treffe ich mich mit den Arbeitern und Freiwillgen um die täglichen Aufgaben zu verteilen, z.B. „Weeden“ (Gras und Unkraut mit einer Machete zurückschneiden), Tierfutter sammeln, Tierställe bauen und ausbessern, Wasser aus dem Brunnen schöpfen, Häuser streichen, Regale und Lattenroste bauen, Regenstopper für die Fenster anbringen, Mais schälen und entkornen, Schuppen aufräumen und ordnen, eine Überdachung aus Bambus und alten Reissäcken für unsere Freiluftküche bauen etc. Selten gleicht ein Tagesprogramm dem anderen und das macht das Leben hier niemals langweilig. Ab ca. 8 Uhr bin ich in der Schule, wo ich gleichzeitig Leitung und auch Kindergruppenlehrerin für die 1,5- bis 3jährigen Kinder bin. Ich organisiere und leite Elternabende, Mitarbeiterbesprechungen (sowohl in der Schule als natürlich auch im Children’s Village), löse Konflikte, reflektiere in Mitarbeitergesprächen deren Arbeitsleistung und gebe Hinweise und Anweisungen, was zu ändern bzw. zu verbessern ist etc. Zudem beobachte ich die Kinder und deren Entwicklung im Children’s Village und entwickle mit den Pflegemüttern Strategien, wie bestimmte Verhaltensweisen der Kinder zum Positiven verändert werden können. Im Allgemeinen kann ich über die fast zwei Monate, seit denen die Kinder bei uns leben, sagen, dass alle, sowohl die Mütter als auch die Kinder von ihrem Leben im Children’s Village profitieren. Die Kinder sind zu einer kleinen, eingeschworenen Gemeinschaft geworden, nehmen sich gegenseitig als Brüder und Schwestern an und lernen immer besser, Konflikte alleine zu lösen. Wo zu Beginn schnell geschlagen oder beleidigt bzw. endlos in einer Tonlage gejammert und gejault  wurde, finden die Kinder immer neue Wege , miteinander zurecht zu kommen. Es ist wunderbar, zu sehen wie sich der Achtjährige wie ein großer Bruder um die Vierjährige kümmert, wie er gemeinsam mit dem Vier- und Fünfjährigen mit den Kinderfahrrädern den Hügel hinuntersaust und hilft, alle Räder wieder nach oben zu schieben. Die Siebenjährige findet Freude dabei, beim Wasserholen und der Küchen- und Hausarbeit zu helfen. Es ist schön zu merken, wie die Kinder immer mehr zur Ruhe kommen und aufblühen und ihren Platz in der Gemeinschaft des Children’s Village finden. Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten auch die beiden Pflegemütter, die den Kindern mit ihrer ruhigen, beständigen Art einen festen aber bestimmten Halt geben. Und auch unser Hausmeister, Tageswachmann und unser Tierpfleger tragen zu der guten Atmosphäre im Children’s Villge bei. Wenn sie Zeit haben, verbringen sie diese mit den Kindern, spielen mit ihnen, lachen mit ihnen aber zeigen ihnen auch Grenzen auf. Obwohl keine Pflegeväter, nehmen sie so dennoch die wichtige Rolle eines männlichen Vorbildes besonders für die Jungen ein.

Auch die Bewohner von Adwampong  – und da besonders die Kinder – sind gern gesehene Gäste im Children’s Village. Unsere erste Kinderparty an einem Samstagnachmittag liegt bereits hinter uns und ging mit der „Reise nach Jerusalem“, „Dreibeinlauf“, Tanzwettbewerb, Fußball spielen, Nudeln essen etc. viel zu schnell vorbei. Eine Fortsetzung folgt bestimmt.

Auch wenn wir noch ganz am Anfang stehen, habe ich das gute Gefühl, dass das Children’s Village in Zukunft vielen Kindern ein neues Zuhause bieten wird und freue mich jetzt schon darauf.