Fischgruende und rotes Gold – Ostergeschichten

In den vergangenen Wochen haben wir wieder vieles bewegen koennen, im Kleinen und auch im Grossen. An Karfreitag und Ostersamstag hat sich eine groessere Gruppe freiwilliger Helferinnen und Helfern auf den Weg in das Childrens Village gemacht. Mit dabei war dieses Mal wieder eine gute Portion Spannung, wie die Strasse nach den vergangenen Regenfaellen aussieht.  Es stellte sich heraus, dass die Strasse gut befahrbar ist und so kamen wir tatsaechlich dieses Mal am Ziel an, ohne im Schlamm zu versinken. Zwar hat die Regenzeit bereits begonnen, aber noch regnet es nicht jeden Tag. Aber wenn es regnet, dann meist heftig und ausdauernd. Auch nach fast eineinhalb Jahren in Ghana bin ich jedes Mal fasziniert davon, wie sich der Regen ankuendigt. Mit viel Wind rauscht der Regen im wahrsten Sinne des Wortes heran. Die beste Loesung ist es dann, irgendwo Schutz su suchen und das Ende des Regens abzuwarten. Es sei denn, man moechte nass werden wie ein Pudel.

Eine Kueche zum Verlaufen

Ob Regen oder nicht, wir fahren bei fast jedem Wetter zum Projektgelaende, wenn moeglich und noetig. Nun also zum Osterwochenende. Denn auch, wenn es Feiertage sind, wird gearbeitet. Wie bei jedem unserer Besuche mache ich zunaechst einen Rundgang und schaue mir die Fortschritte an. Und ja, es waechst und waechst. Am beeindruckendsten ist momentan der Bau der Kueche. Die Kueche bzw. der Essbereich wird sehr geraeumig…viel Platz fuer viele Kinder und Mitarbeiter mit viel Raum fuer leckere Mahlzeiten und gesellige Abende. Wie auf den Fotos zu erkennen ist, wuerden zwei Wohnhaeuser in die Kueche passen… Wir bauen fuer die Zukunft und wollen in zehn Jahren nicht fuenf Kuechengebauede auf dem Gelaende stehen haben nur weil wir bei Kuechenbau zu sparsam an der Groesse waren.

Stellt man sich mit etwas Ruhe ein Stueck entfernt vor all die bisher gebauten Gebaeude, zeigt sich die wirklich gute Arbeit aller Arbeiter. Die Haeuser und nun auch die Kueche liegen der Beschaffenheit des Gelaendes wegen nicht auf einer Ebene. Das Gelaende senkt sich vom ersten Haus zur Kueche leicht ab und so haben die Arbeiter auch gebaut: Terassenfoermig, das erste Haus steht am hoechsten und die Kueche am tiefsten. Noch ist das am hoechsten gelegene Haus das mit der besten Aussicht…

Pflanzrunde die Zweite

Seit Douglas aus Deutschland zurueck ist, ist das Leitungsteam vor Ort wieder vollstaendig und ruehrt fleissig in verschiedenen Toepfen gleichzeitig. Neben dem Weiterbau der Gebaeude und allem notwendigen Zubehoer legen wir weitere Grundsteine fuer den Weg in ein Selbstversorger-Projekt. Denn das soll es in Zukunft werden: Moeglichst unabhaengig von Lebensmitteleinkaeufen von aussen. Begonnen haben wir damit bereits im vergangenen Jahr mit der ersten Runde Gemueseanbau und Schafzucht. In den vergangenen Tagen haben wir die zweite Runde eingelaeutet und wieder fleissig Mais und Wassermelonen gepflanzt. Besonders fuer die Wassermelonen hoffen wir, dass sie dieses Mal gut wachsen und nicht wie beim letzten Mal vor Hitze platzen. Alle ungenutzten Flachen werden fuer den Maisanbau genutzt, spaeter werden noch etliche Yam-Pflanzen dazu kommen.


Fischgruende und Rotes Gold

Tja, und dann sind da unsere zwei neuen Teilprojekte mit guten Zukunftsaussichten. Seit letzter Woche steigt das Childrens Village in die Fischzucht und in die Palmoelfoerderung ein, zwei ertragsversprechende Bereiche der Landwirtschaft. Hier in Ghana wird viel Fisch gegessen, egal ob an der Kueste oder im Norden. Ein sehr beliebter Fisch ist der Tilapia, ein Suesswasserfisch sowie so genannter Catfish oder Mudfish. Ich glaube, der ist vergleichbar mit Wels. In fast jeder Mahlzeit findet sich hier Fisch in irgendeiner Form. Sei es zermahlen im Porridge am Morgen oder im kleinen Klacks Shito (eine Art Gewuerzpaste) oder als Ganzes zu Banku. Der Bedarf ist gross und da die Kuesten immer leerer gefischt werden (allerdings nicht von den lokalen Fischern sondern von den internationalen Fischereien), gewinnen Suesswasserfische immer mehr an Bedeutung. Und nun sind wir mittendrin. Ich muss zugeben, dass ich absolute keine Fischexpertin bin und keinen Fisch esse (fuer die meisten Ghanaer unvorstellbar), aber das Projekt Fischfarm wird spannend. Seit letzter Woche gehoeren und uns nun also zwei Hektar Land in der Naehe eines kleinen Flusses. Aus Sunyani, der Regionalhauptstadt der Brong-Ahafo-Region, haben wir uns Hilfe von professionellen Fischfarmarchitekten geholt. Nach einer ausfuehrlichen Beratung und einer Gelaendebegehung werden wir mit vier Fischteichen in der Groesse von jeweils 10×10 Metern beginnen. Dort werden sich dann in Zukunft bis zu 300 Fische tummeln (drei Fische auf einem Meter), die wir gewinnbringend auf dem Markt verkaufen koennen (ein Kilo Tilapia kostet ca. 15 Cedis und mehr). Aehnlich wie der Brunnenbau vor einigen Monaten werden die vier Teiche ohne Hilfe von Maschinen gegraben. Statt einem grossen Bagger schwingen vier Arbeiter von Sonnenaufgang bis –untergang die Schaufel, stehen stundenlang im Matsch und wollen bis in drei Wochen mit der Arbeit fertig sein. Ich bin da ebenso positiv eingestellt, denn bereits nach weniger als einem Tag Arbeit haben die vier eine Menge geschafft. Die Fischteiche werden einen natuerlichen Wasserzulauf, gespeist aus dem Flusslauf, bekommen und so die besten Bedingungen fuer guten Fisch bieten.

Ein weiterer Grundstein fuer unser zukuenftig selbstversorgtes Projekt ist der Einstieg ins Oelgeschaeft. Zu diesem Zweck haben wir vier Hektar Land mit geschaetzten 450 Oelpalmen erworben. Palmoel ist das am meisten verwendete Oel in Ghana. Auch international spielt das rote Gold eine wichtige Rolle, zaehlt es doch zu den am billigsten zu produzierenden Oelen fuer die Lebensmittelindustrie. Leider fuehrt das in anderen Laendern zur Schaffung von extrem grossen monokulturellen Oelplantagen, fuer die riesige Flaechen Regenwald abgeholzt sowie Menschen vertrieben werden (so z.B. in Malaysia). Unsere Palmoelfarm ist weit von einer Monokultur entfernt. Von der Konsistenz ist das rote Gold nicht wie anderes Oel (bspw. Sonneblumenoel) duenflueesig, gelb bzw. gruen und klar, sondern dickfluessig, trueb und rot bzw. orange. Erst beim Erhitzen wird es fluessig und klar, dennoch behaelt es seine roetliche Farbe. Der Vorteil von Palmoel ist u.a., dass die Oelpalmen mehrmals im Jahr geerntet werden koennen. Die Fruechte wachsen schnell und sind ertragreich. Fuer die Lebensmittelindustrie ist neben dem Oel aus den Fruechten auch das Oel der Kerne von Nutzen. Es befindet sich z.B. in Eiskonfekt und gibt diesem die kuehle Schmelze. Das Oel, was wir gewinnen werden, wird lokal gewonnen. Zu Anfang werden wir Menschen beauftragen, die das Oel durch das Stampfen der Fruechte gewinnen, aber in Zukunft wollen wir eine eigene kleine Oelmuehle betreiben. So sind wir nicht auf die Dienste fremder Oehlmuehlen angewiesen und koennen so sicherstellen, dass der Gewinn zurueck in das Projekt fliesst, statt in den Transport der Fruechte sowie in die Taschen von Oelmuehlenbetreibern.

Ich bin immer wieder positive ueberrascht, wie viel Unterstuetzung die Projektidee nicht nur ausserhalb Ghanas sondern auch unter den Helferinnen und Helfern bekommt. Beim Kauf der neuen Laendereien beispielsweise ist uns der ehemalige Besitzer sehr mit dem Preis entgegen gekommen, obwohl er locker das Dreifache haette verlangen koennen. Vielleicht fragt sich der oder die ein oder andere nun, warum wir in so viele Dinge gleichzeitig investieren statt zunaechst die Haeuser komplett fertig zu stellen und die ersten Kinder einziehen zu lassen. Ich habe mir die Frage auch oft gestellt, aber durch Gespraeche mit Nana Yaw und Douglas, meinen beiden Kollegen aus dem Leitungsteam sowie meine Mitarbeit und das eigene Miterleben im Projekt wird mir klar, dass wir nur so einen moeglichst grossen und nachhaltigen Erfolg sichern koennen. Unsere groesste Herausforderung sind die schwankenden Preise sowie die (Un)Gunst der Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten. Sind die Preise niedrig, muessen wir zuschlagen und teilweise wahren Hamsterkaeufe taetigen, bieten uns Menschen bspw. Land fuer einen guenstigen Preise muessen wir die Moeglichkeit ergreifen.

Gerade der Hausbau ist von solchen Preisschwankungen stark betroffen. Vor ca. sechs oder sieben Jahren hat ein Sack Zement (das wichtigste Material fuer ein Steinhaus) ca. 8 Cedis gekostet. Heute sin des schon 18 bis 20 Cedis. Und auch die anderen Materialien wie Eisenstangen und Holz steigen preislich immer weiter an. Fuer den Bau eines der Wohnhaeuser haben wir ca. 5.000 Euro bezahlt. Guenstiger zu bauen haette einen Qualitaetsverlust bedeutet. Aehnlich wie mit dem Materialpreis verhaelt es sich auch mit dem Preis fuer Laendereien. Wird eine Gegend besonders beliebt, steigen die Preise (so wie in anderen Laendern auch). Wenn sich also Gelegenheiten fuer guenstigen Landerwerb ergeben, sollte man zuschlagen. Von dem schnellen Verkauf eines Stueck Landes haengen oft Lebenslaeufe ab. So wird der ehemalige Landbesitzer unseres Fischfarmlandes das Geld direkt in die Universitaetsausbildung seines Sohnes investieren.

Ich glaube, so ist Leben in Ghana: Die meisten Menschen leben von der Hand in den Mund, einfach, weil sie sich Langzeitplanung nicht leisten koennen. Das Projekt Childrens Village basiert auf Langzeitplaung und so zimmern wir einen Stuhl mit mehr als vier Beinen, der uns lange tragen soll.

Gruesse aus Ghana!

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